Heldentat und Teufelswerk – Der schiefe Turm von St. Lambertus

Er thront auf einem der ältesten Bauwerke über den Dächern der Düsseldorfer Altstadt und ist unübersehbar: der schiefe Turm der St. Lambertus Kirche. Früher glaubte man, die unnatürliche Krümmung des Düsseldorfer Wahrzeichens sei Teufelswerk. Verflucht schien der Turm schon 1851, als ein Blitzschlag trotz Blitzableiter ein flammendes Inferno auslöste. Tatsächlich verbergen sich hinter der gedrehten Form dramatische Geschichten von Zorn, Feuer und Heldentaten.

Der Zorn des Josef Wimmer

Dass St. Lambertus heute einen schiefen Turm hat, ist zum Großteil einem Düsseldorfer namens Josef Wimmer zu verdanken, geboren 1781. Seinen Namen kennt man von der Josef-Wimmer-Gasse. Bedacht wurde hier kein großer Denker oder Politiker, sondern ein einfacher Schlossermeister – der dazu noch mit der Gemeinde im tiefen Streit lag. Doch ohne ihn gäbe es den Turm von St. Lambertus gar nicht mehr. Der 31-jährige Josef Wimmer hatte sich wegen eben jenes Turmes “in höchstem Zorne” mit der Gemeinde zerworfen. Nach dem aufwändigen Austausch der Turmglocken hatte man den Schlossermeister mit einer mickrigen Bezahlung von 163 Talern abgespeist – für eine Arbeit die sicher 500 Taler wert gewesen wäre.

Der Höllenbrand von 1851

Gerade 3 Jahre ist der Streit her, als 1815 ein Blitzschlag den Kirchenturm in Brand setzt. 70 Meter hoch und voll von verschachteltem Gebälk ist der Turm ein gefundenes Fressen für die Flammen und unerreichbar für die Freiwilligen am Boden, die versuchen mit Eimern und Wasserspritzen zu helfen. Der brennende Turm droht auf das Kirchschiff zu stürzen und St. Lambertus zu vernichten.

Zur Stelle ist kein anderer als Josef Wimmer. Obwohl der Schlossermeister der Gemeinde nicht gerade wohlgesonnen ist, steigt er nur geschützt durch einen Zylinder mit Axt und Säge in die rauchende Brandhölle des Turms hoch. Während von oben das flüssige Blei auf ihn tropft, sägt und hackt er die brennenden Balken heraus und verhindert so, dass sich das Feuer weiter ausbreitet.

Wie der Turm von St. Lambertus schief wurde

Nach dem Brand wird der beschädigte Turmhelm unter der Leitung des Architekten Adolph von Vagedes erneuert und die Turmspitze verstärkt. Auch ein neuer Blitzableiter wird installiert. Doch plötzlich beginnt sich die Turmspitze immer mehr zu neigen und eine seltsame Krümmung anzunehmen. Einige glauben, der Teufel bestrafe die Arroganz der Gemeinde gegenüber Wimmer.

Heute sieht man den Grund für die Drehung doch eher in baulichen Ursachen. Auf die Frage, welche das genau sind, erhält man unterschiedliche Antworten – je nachdem, wen man fragt. Eine Theorie besagt, dass für den Bau zu frisches Holz verwendet wurde, das noch zu viel Restfeuchte enthielt. Durch die Trocknung verzog sich das Holz nach und nach und sorgte so für die wunderliche Drehung des Turms.

Der Düsseldorfer Historiker Dr. Ulrich Brzosa kennt andere Gründe: Bei dem Neubau bekam der Turm einen neuen Bleischutz und zusätzlich eine sogenannte “Marienkrone”.  Durch das höhere Gewicht der Krone wurde die Balkenkonstruktion so stark belastet, dass sich der Turm mit der Zeit immer mehr zum Rhein neigte und in sich drehte. 1900 wurde die Drehung durch eine Verstärkung des Unterbaus gestoppt.

Der Held von St. Lambertus

Egal wie man die Geschichte dreht und wendet, ohne Josef Wimmer gäbe es weder einen schiefen Turm, noch überhaupt einen. Das musste auch die Gemeinde anerkennen. Nach der Heldentat, bei der Wimmer schwere Brandverletzungen davongetragen hatte, wurde eine ordentliche Geldsumme für ihn gesammelt. Da er als Schlossermeister nicht mehr arbeiten konnte, erhielt er eine Anstellung als Markt- und Torwächter bei der Stadt. Mit 60 eröffnete der geschäftstüchtige Wimmer laut einigen Quellen noch eine eigene Badeanstalt. Auch nach seinem Tod 1860 wurde der Düsseldorfer Held in Ehren gehalten. Auf der Gedenktafel an St. Lambertus ist zu lesen: “Dem Retter dieser Kirche Schlossermeister Josef Wimmer zum Gedenken”. Bis heute kann man in der Basilika der Kirche neben wertvollen Kunstschätzen auch noch den bleibetropften Zylinder besichtigen, den Josef Wimmer bei der Rettung des Turms getragen haben soll.

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